Kinetic Cognitive Style („ADHS“) und Gruppendynamiken: Eine neuroaffirmative Betrachtung

In letzter Zeit gibt es viele tolle Diskurse zu den Wechselwirkungen und Implikationen von Autismus in Bezug auf Gruppendynamiken und Konsens. Durch den großen Overlap der Neurotypen ist vieles davon auch für Menschys hilfreich, die sich bislang nur im kinetischen („ADHS“) Spektrum verorten. Für kinetische Traits hingegen fehlt es noch an Ressourcen, die sich explizit mit dem Thema auseinandersetzen. Das ist sehr schade, da beispielsweise die Kink-Szene viele kinetische Menschen anzieht und gleichzeitig kinetische Verhaltensweisen schnell zu Konsensproblemen führen können, wenn diese unreflektiert bleiben.

Dieses Writing stellt daher einen Versuch dar, mal ein paar solcher Bereiche und dazugehörige Gedanken meinerseits aufzulisten, in denen diese Wechselwirkung relevant ist. Es erhebt dabei nicht den Anspruch, vollständig oder in irgendeiner Form „wissenschaftlich korrekt“ zu sein, sondern setzt sich aus meinem Wissen über kinetische Traits, neurodivergente Communitys und meinen bisherigen Erfahrungen in der Kink-Szene zusammen.

Hinweis zur Sprache:

Ich verfolge inzwischen so konsequent wie möglich einen neuroaffirmativen Ansatz. Während neuroaffirmative Ressourcen bei Autismus schon etwas weiter sind, ist das bei „ADHS“ noch anders, und im deutschsprachigen Raum sieht’s erst recht zappenduster aus. Da der Begriff „ADHS“ bereits in sich problematisch ist, verwende ich daher zunehmend die von Nick Walker geprägten Bezeichnung „Kinetic Cognitive Style“ (kurz KCS) und schreibe von Kinetics – mehr dazu hier: https://luux.dev/2024/10/ich-bin-kinetisch/.

KCS ist noch kein etablierter Begriff und neuroaffirmativ zu sein fühlt sich beim kinetischen Neurotyp noch danach an, gleich mehrere Tabus zu brechen und Neuland zu betreten. Betrachtet dieses Writing daher gerne als eine Art Experiment. 😊

Hinweis zu Diskursen:
Ich möchte explizit dazu einladen, mit neuroaffirmativer Sprache zu experimentieren. Ich bitte jedoch darum, allgemein die Präferenz von individuellen Menschys, die sich der Unterschiede bewusst sind(!) und sich dennoch(!) für andere Sprache entscheiden, zu respektieren.

Bitte beachtet meinen Background.

Genug des Vorgeplänkels, auf ins Thema!

Kinetic Cognitive Style (KCS)

Kinetic Cognitive Style ist vor allem geprägt durch:

  • eine interessens-/impuls-/inertia-/belohnungs- und dringlichkeitsgetriebene Aufmerksamkeit
    • priorisiert oft auch vor allem Dinge, die unmittelbar vor einem liegen
    • Impulse können Aufmerksamkeit mitunter komplett einfangen
  • eine zentrale Rolle einnehmenden Flow und Hyperfokus
    • Autistic Inertia, „Ferrarimotor mit den Bremsen eines Fahrrads“
  • ein am besten in Bewegung arbeitendes Gehirn; mental und physisch, am besten alles gleichzeitig; mentale Beschleunigung und Abbremsen sind hingegen meist deutlich herausfordernder (siehe Autistic Inertia)

Diese Dinge bilden den natürlichen Zustand von kinetischen Menschen. Ihre innere Balance ist da, wo andere komplettes Chaos und „Unruhe“ sehen. Die genauen Ausprägungen von Traits sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und werden durch das Umfeld, Sozialisierung, Lebenserfahrungen etc. beeinflusst. Abweichungen davon (etwa „Emulation“ einer stetigen, ausgeglichenen Aufmerksamkeit) sind oftmals in begrenztem Umfang möglich. Sie kosten allerdings viel mentale Kapazität, sind also auf Dauer eine ungesunde, erzwungene Abweichung von der Arbeitsweise, für die das Gehirn ausgelegt ist.

Die Interaktion mit und vor allem auch zwischen kinetischen Menschen kann zu tollen Dynamiken und zu einer regelrechten kinetischen Resonanz mit einem Feuerwerk an kreativen Ideen in einem wunderbaren Flow führen – ein Konzept, das mir schon eine Weile im Kopf herumgeistert und dem ich vermutlich nochmal ein eigenes Writing widmen möchte.

Kinetische Aufmerksamkeit ist Interessens-, Impuls- und Inertiagesteuert, auch Flow und der allseits bekannte Hyperfokus spielen eine wichtige Rolle. Daraus ergeben sich vielerlei Implikationen, die sich einseitig betrachtet in „ADHS-Symptomen“ widerspiegeln, beispielsweise:

  • Priorisierung von Dingen, die unmittelbar vor einem liegen
    • Deadline-getriebene Arbeit
    • Einfluss auf Objektpermanenz (auch für nicht-physisches!)
    • Last-Minute-Hektik
    • Impulse können den Aufmerksamkeitstunnel mitunter komplett „wegsaugen“
      • „Aufmerksamkeitsdefizit“ bei geforderter alternativlos gleichmäßiger Konzentration
      • derselbe Mechanismus kann je nach Aufgabenbereich vorteilhaft sein!
    • Stimming zur Selbstregulation, in-Bewegung-Arbeiten –> „Hyperaktivität“

Das Spiel lässt sich beliebig fortsetzen.
(Wie oben erwähnt fühlt sich ein derartiges Reframing mMn nach Tabubruch und für mich zugleich unfassbar befreiend an!)

An dieser Stelle auch ein Hinweis, dass dieses Reframing etwas ganz anderes als die altbekannte „das Kind ist doch nur lebhaft“-Leier ist. Letztere, invalidiert die Lebensrealitäten von Betroffenen. Es ignoriert die Diskriminierung, die soziale Ausgrenzung, die zahlreichen strukturellen Nachteile von Kinetics in unserer Gesellschaft. Es spricht ihnen ihre eigene Lebensrealität und die Berechtigung zu Ressourcen, Community, Therapie, und Medikation ab. Das steht in deutlichem Kontrast zu Neuroaffirmität.

Vergleiche wie „Ferrarimotor mit den Bremsen eines Fahrrads“, „never wanting to start and never wanting to stop“ sind populär und können recht hilfreich zur Veranschaulichung sein. Neurotypische Kommunikation ist hingegen eher mit Stop-and-Go-Verkehr vergleichbar. Chaos vorprogrammiert.

Konsequenzen

Daraus ergeben sich viele Implikationen in der Interaktion mit anderen.

Viele der daraus resultierenden Verhaltensweisen stoßen bis zu einem gewissen Grad unter anderen kinetischen Menschen auf deutlich mehr intuitives Verständnis und Kompatibilität, werden aber von anderen schnell als „anstrengend“ oder gar problematisch wahrgenommen. Während ein besseres Verständnis für das Double Empathy-Problem insbesondere seitens neurotypischer Menschen einerseits vieles davon entschärfen würde, ist gleichzeitig von Seiten kinetischer Personen Reflexion definitiv sinnvoll – insbesondere bei Verhaltensweisen, die unmittelbar die Grenzen anderer betreffen.

Ziel muss es langfristig sein, ein Miteinander zu schaffen, das die Grenzen und Möglichkeiten aller Neurotypen inkludiert und respektiert, ohne neurodivergente Menschen zum permanenten Masking zu zwingen.

Aktuell sind wir leider gesellschaftlich sehr weit davon entfernt. Das Erlernen des sozialen Umgangs miteinander geschieht fast ausschließlich von neurotypischem Standpunkt aus. Andere Neurotypen gelten als pathologisch und Betroffene sollen sich bitte bestmöglich dem neurotypischen Standard annähern. Das stellt neurodivergente Menschen vor enorme Herausforderungen und durch fehlende (nicht komplett biased) Aufklärung und Ressourcen müssen sie sich vieles im Laufe der Jahre selbst erarbeiten, was mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Noch gravierender wird es durch die Tatsache, dass nach wie vor viele Menschen nicht wissen, dass sie kinetisch sind und somit keinen Zugang zu Community und Ressourcen haben. Und wenn sie dann Zugang zu Ressourcen und beispielsweise Therapie bekommen, so sind diese oft einseitig defizitbasiert. Statt zu helfen, Hand in Hand mit ihrer Neurologie zu arbeiten, heißt es „Gratulation, du bist gestört, daher kommt dein Problem, wenn es gehen würde, sollten wir dich am besten neurotypisch machen, denn damit löst sich das!“.

Erschwerend hinzu kommt, dass kinetische Traits recht schnell kommunikativ nach außen wirken und daher von Neurotypischen oft als „disruptiver“ gesehen werden als etwa autistische Traits, von bspw. Meltdowns abgesehen. Kinetics sind die Impulsiven, die Niemals-Still-Sitzen-Bleibenden, die Abweichler, die Aus-der-Reihe-Tanzenden, die Störenfriede, die Systemsprenger. Ein natürliches Feindbild all derjenigen, die so verbittert auf Konformität um jeden Preis drängen.

Auch reguläre Konsens-Einführungsressourcen gehen oft von ebenfalls einem neurotypischen Standpunkt aus. Was natürlich zu Problemen führt, da kinetische Traits und Sozialisierung schnell dazu führen, dass sie als „aufdringlicher“ wahrgenommen werden.

Und natürlich spielen auch geschlechtsspezifische Sozialisierung und Erwartungshaltungen dabei eine nicht zu verachtende Rolle. Bestimmtes Verhalten wird bei männlicher Sozialisierung eher a la „Boys will be Boys“ weggelächelt oder gar gefördert, bei weiblicher Sozialisierung hingegen oft von Anfang an sanktioniert, was aber oft leider wenig in gesunder Reflektion/Regulation, sondern eher in größerem Masking endet.

Ähnliche Dynamiken gibt es bei Autismus: In Bezug auf Autismus zeigen die Ergebnisse des CAT-Q – welcher versucht, Masking zu quantifizieren – einen deutlich höheren Masking-Score für Frauen und nichtbinäre Menschen! (Mich würde interessieren, wie die Verteilung bei kinetischen Menschen aussieht, wobei der Overlap ja ohnehin signifikant ist.) – siehe https://embrace-autism.com/cat-q/#Average_scores

Ich schweife ab. Kommen wir zum eigentlichen Thema!

KCS-Einfluss auf Gruppen- bzw. Veranstaltungskontext

Insbesondere auf mehrtägigen Events lauern überall neue interessante Dinge überall, was das kinetische Gehirn schnell in Fahrt bringt. Entstehende Gruppendynamiken sind oft eine stete Dopaminquelle, was den Motor am Laufen hält.

Raumeinnahme und Gruppendynamiken

Gerade in Gruppen passiert es schnell, dass in Fahrt geratene kinetische Menschys mitunter recht viel Energie in den Raum bringen. In der Interaktion mit anderen Kinetischen ist das super! Neurotypische Menschen hingegen haben schnell Probleme, mit dieser Energie umzugehen.
Sofern jedoch nicht alle in der Gruppe mit dieser Energie resonieren, führt das schnell dazu, dass Kinetics gegenüber anderen recht viel Raum einnehmen. Oft bemerken kinetische Menschen das nicht unbedingt. Anders herum ist es als kinetische Person auch unfassbar anstrengend, ständig mit angezogener Handbremse unterwegs sein zu müssen.

Die Erfahrung zeigt, dass bspw. in Gesprächsrunden angepasste Kommunikationsregeln wahre Wunder wirken können. Möglich sind beispielsweise nonverbale Gesprächssignale mit unterschiedlichen Bedeutungen, beispielsweise Zustimmung/Ablehnung. Aber auch solche, die den gewünschten Gesprächsfluss anzeigen können, beispielsweise Melden mit Unterscheidung zwischen „neues Thema/neuer Aspekt“, „ich möchte an das Gesagte dieser Person anknüpfen“ und „bitte langsam zum Punkt kommen“. Wir haben damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Diese Signale helfen auch Autist:innen mitunter massiv, da sie bei Klarheit schaffen, wer wo zu Wort kommen möchte und somit Struktur in das Gespräch bringen.

Anders sieht es aus, wenn Menschen gerade erschöpft sind und derlei Energie nur punktuell Probleme macht – scheut nicht davor zurück, offen zu kommunizieren, gerade ein wenig Space zu benötigen.

Von Gesprächen abgesehen können Gruppendynamiken zudem zu Leichtsinn, Selbstüberschätzung und dummen Aktionen führen. Je nachdem, in welchem Feld man sich bewegt, kann das problematisch oder sogar gefährlich sein.

„aufdringlich wirken“, „pushy“ sein

Insbesondere in Kombination mit autistischen Traits kann es vorkommen, dass „subtile“ Social Cues nicht erkannt werden. Dies kann beispielsweise passieren, wenn eine kinetisch-autistische Person jemanden als Safe Person ansieht. Hierzu habe ich bereits ein ausführliches Writing verfasst, siehe https://luux.dev/2024/09/uber-personliche-safe-persons-auf-mehrtagigen-events/.

Hyperfokus + „shiny new thing“ bergen zudem das Risiko, dass man zu schnell zu viel will und mitunter eine andere Person unbeabsichtigt bedrängt. Beim kombinierten Neurotyp führt das mitunter zu einer fiesen Wechselwirkung: die Interaktion gibt dem Gehirn Dopamin; es kommt in Fahrt und in seinen Tunnel, während Auti-typisch die zwischen-den-Zeilen-Signale nicht erkannt werden. Die andere Person verlässt sich hingegen sozialisierungsbedingt auf genau diese Signale, um anzuzeigen, dass es gerade etwas viel wird. In der Summe ist das eine eher ungute Kombination, deren Lösung auch nicht einfach in Regeln zu gießen ist.

Zu verlangen, dass Kinetics/Autist:innen „das einfach können müssen“, ignoriert gerne die Lebensrealität dieser Neurotypen und die Tatsache, dass viele ihren Neurotyp noch gar nicht kennen und stark maskierend durch ihren Alltag gehen, insbesondere nach mehreren Tagen Event diese Maske jedoch nicht mehr gut funktioniert. Bisheriger Austausch und Erfahrungen zeigen mir, dass auch Personen, die ich als sehr stark reflektiert und konsensaware einschätze, nicht komplett vor dieser Dynamik gefeit sind und erst im Nachgang überlegen, ob sie nicht hier oder da zu pushy waren. Das ist übrigens nicht auf ein Geschlecht beschränkt, auch wenn cis Männer aufgrund der eingangs erwähnten Faktoren wahrscheinlich häufiger auffallen; wobei ich vor allem FLINTA* habe darüber reflektieren sehen (das ist allerdings anekdotische Evidenz).

Wer man jedoch seinen Neurotyp nicht kennt, fehlen Zugang zu Ressourcen und Community – Ansätze für neurotypische Menschen funktionieren oft nur bedingt, führen hingegen aber schnell zu auslaugendem und auf Dauer sehr ungesundem Masking. Es ist daher umso wichtiger, sich mit dem Thema Neurodivergenz auseinanderzusetzen.

Bei allem Neurodivergenzverständnis darf dies jedoch keine Entschuldigung für klare Grenzverletzungen sein!

Zu verlangen, dass sich bedrängt/gepusht fühlende Personen „einfach klar kommunizieren müssen“, lässt hingegen auf ein potentiell problematisches Konsensverständnis schließen, da es beispielsweise Personen überrumpelt, die eine eher subtile Art der Kommunikation verwenden und/oder zu People Pleasing neigen. Eine solche Einstellung führt schnell zu Victim Blaming.

Besonders problematisch wird diese Kombination, wenn zusätzlich unreflektierte Machtunterschiede vorhanden sind, bspw. sozialer Status.

Beides lässt sich zu einem gewissen Grad lernen, beides benötigt jedoch Reflexion und mitunter einiges an Arbeit. Es kommt aber auch vor, dass Kommunikationsstile schlicht nicht sonderlich kompatibel sind. Ich halte es für einen Irrglauben anzunehmen, dass ein Mensch generell für alle anderen Menschen „safe“ sein kann. „Safe enough“ ist aber in einer Community oft ausreichend und imho ein realistisches Ziel, sofern diese Bereitschaft von allen geteilt wird. Oft wachsen Menschen durch Entwickeln von gegenseitigem Verständnis zusammen. Gegenseitiges Verständnis ist langfristig der Schlüssel.

Gruppenorganisation – Zeitwahrnehmung, Zeitmanagement und „getting things done“

KCS geht mit einer anderen, nichtlineareren Wahrnehmung des Konzepts von „Zeit“ einher.

Die obigen Kerneigenschaften von KCS stehen hiermit in Wechselwirkung – auch hier fokussiert die Aufmerksamkeit vor allem die Dinge, die als Impulse kommen, mit gewisser Dringlichkeit einhergehen oder im unmittelbaren Interesse liegen. Ebenso resultiert sind die Auswirkungen auf Objektpermanenz auf Nicht-Physisches übertragbar. Bei nicht im Fokus stehenden Terminen resultiert das etwa in einem „aus-dem-Augen-aus-dem-Sinn“-Effekt.

Kinetische Zeitwahrnehmung ist ein sehr interessantes Feld, über das auch eigens geforscht wird. Zeitgleich sind die daraus entstehenden Effekte einer der im Alltag relevantesten Aspekte des Neurotyps, welcher noch dazu oft auf sehr wenig Verständnis stößt. Neurotypische Mechanismen (die u.a. über Jahrzehnte beigebracht wurden) funktionieren hingegen oft nicht für uns, da diese auf einer anderen Zeitwahrnehmung beruhen. Oft gehen diese etwa im Verbund mit für Kinetics toxischen Produktivitätstipps wie dem „eat the frog first“-Prinzip einher. Das alles führt oft zu Dingen wie Prokrastination, Deadline-Getriebenheit oder Deadline-Verpassen, Dinge in „falscher“ Reihenfolge anzugehen oder die benötigte Zeit für Aufgaben zu unterschätzen.

Und als wäre das alles noch nicht genug, stehen diese Dinge meist konträr zu autistischen Traits, welche Vorhersagbarkeit und Verlässlichkeit präferieren oder gar voraussetzen. Ist eine Person sowohl kinetisch als auch autistisch, kann es sehr schwierig sein, diese (scheinbar?) gegensätzlichen Aspekte unter einen Hut zu bekommen.

Das hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf insbesondere organisatorische Gruppenaspekte. Dinge mit kinetischen Menschen zu planen, kann für Menschen anderer Neurotypen herausfordernd sein, insbesondere wenn Anforderungen an Vorhersagbarkeit und frühzeitiger Planungssicherheit unterschiedlich sind und man diese Unterschiede nicht gewohnt ist. Mitunter sind letztere noch in unterschiedlichen Aspekten verschieden.

Was hier hilft, ist Kommunikation. Mitzuteilen, welche Planungssicherheitsbedürfnisse verschiedene Personen haben und wie die Arbeitsweise ist. Gemeinsam Prioritäten und Deadlines festzulegen, die diese Bedürfnisse berücksichtigen. Oder auch einfach mal zu sagen „let’s go, wir machen das jetzt endlich mal, ich helfe dabei“. Blockaden (wie etwa Telefongespräche mit fremden Menschen) zu identifizieren und anzubieten, dort zu unterstützen, ohne darüber zu urteilen.

Auch Medis helfen hier vielen, vor allem in der alltäglichen Planung besser zurechtzukommen.

Was man nicht tun sollte: Blaming, zu unterstellen „ständig Ausreden zu suchen“, gar vorzuwerfen, jemand würde seinen Neurotypen „vorschieben“, „lern das doch einfach mal“ oder dergleichen. Leider kennen die allermeisten Kinetics dieses Blaming zu Genüge. Es kommt nichts Gutes dabei raus. Wirklich nicht.

Auch haben viele die Erfahrung gemacht, dass Schwierigkeiten wie etwa die angesprochene Blockade durch Telefongespräche mit fremden Menschen, Entscheidungsparalyse etc. auf keinerlei Verständnis stoßen. Ableismus ist allgegenwärtig und eine kulturell noch immer sehr akzeptierte Form der Diskriminierung. Daher haben viele längst aufgegeben, derlei Dinge zu kommunizieren, fressen ihren Frust stattdessen in sich hinein, verzweifeln im Zweifelsfall an der Aufgabe, fühlen sich deshalb schrecklich, kriegen dafür noch eins auf den Deckel und sammeln somit weitere Treuepunkte für ihr Minderwertigkeitsgefühl. Von Seite der Kinetics ist es daher wichtig wieder zu lernen, Menschen in dieser Hinsicht vertrauen zu können und Support zu bekommen.

Auf der anderen Seite können Kinetics nämlich unglaublich viel Energie in die Orga mitbringen, wahnsinnig viel vorantreiben und Probleme schnell und kreativ lösen. Zudem sind sie quasi für Situationen geboren, wo alles drunter und drüber geht und organisatorische Brände zu löschen sind. Nicht umsonst wird Eventplanung oft als einer der Top-Jobs für Kinetics empfohlen, was oberflächlich betrachtet zunächst ein Widerspruch zu sein scheint, bei näherer Betrachtung jedoch komplett Sinn ergibt.

Fear-of-Missing-Out (FOMO) und Aufgedreht-sein

MOAR DOPAMIN! Shiny new things! Überall interessantes Zeugs! Viele tolle Menschen! Man will doch nichts verpassen! 🤩🤩🤩

FOMO kann böse sein und schnell zum Vernachlässigen von Self Care und weiterem Schlafmangel führen. Oder dazu, dass man andere Menschen dazu drängt, doch XY auch noch mitzumachen.

Insbesondere bei mehrtägigen Veranstaltungen und daraus resultierendem allgemeinen Schlafmangel kann es vorkommen, dass man regelrecht aufgedreht ist. Auch die Reaktionen des Körpers und der Psyche auf diesen Modus unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und bei verschiedenen Neurotypen. Auf jeden Fall führt es dazu, dass Masking oft nicht mehr so intuitiv geschieht. Das wiederum führt schnell dazu, dass bspw. zusätzlich Social Cues noch weniger erkannt werden, man schneller in Personal Spaces eindringt, ohne es zu merken, in Leute reinrennt, vertieft in ein Gespräch wild gestikulierend umstehende Menschen trifft oder Ähnliches.

Habe ich gehört. Nicht, dass mir so was je passiert wäre. (/sarkasmus)

Was hilft? Awareness, dass das passieren kann. Gewöhnung. Beim x-ten Besuchen derselben (oder einer ähnlichen) Veranstaltung ist nicht mehr alles neu-und-shiny, was dem entgegenwirkt. An sich gehörem Aufregung und FOMO ja aber auch ein Stück weit dazu.

Anmerkung zu Medikation

Der Hauptunterschied zu Autismus besteht darin, dass eine „ADHS“-Diagnose Zugang zu Medikation gibt. Eine gängige Annahme ist, dass diese Medikamente die Probleme von kinetischen Menschen lösen, indem sie sie quasi neurotypischer machen – diese Auffassung ist eine direkte Konsequenz des Pathologie-Paradigmas, welches die Neurotypen selbst als das Problem ansieht, weil sie von der Neuronormativität abweichen. Gut gemeinte Sprüche wie „Nimm doch deine Medikamente!“, „Lass dir doch endlich was verschreiben!“ sind eine Folge davon.

Wahr ist, dass die Medis ein sehr gutes Hilfsmittel sein können, welches Betroffenen das Meistern vieler Alltagssituation mitunter überhaupt erst ermöglicht. Vor allem Spätdiagnostizierte berichten oft von einem Tag-Nacht-Unterschied, als hätte man nach jahrzehntelanger Kurzsichtigkeit das erste Mal eine Brille auf.

Aber: Medis sind kein Allheilmittel. Sie haben Nebenwirkungen, die mitunter sehr einschneidend sein können. Vor allem aber machen sie Kinetics nicht neurotypisch! Die Auswirkungen einiger kinetischen Traits werden abgeschwächt. Oben angesprochene Emulation einer neurotypischen Aufmerksamkeit wird erleichtert. Kinetics sind jedoch weiterhin Kinetics.

Nun gibt es aber beispielsweise einen riesigen Overlap mit Autismus. Je nach Studie erfüllen 20-50% der Kinetics die Diagnosekriterien für Autismus. Viele davon sind in der Realität natürlich in Bezug auf Autismus undiagnostiziert. Kinetische und autistische Traits stehen in diesem Fall in permanenter Wechselwirkung miteinander und balancieren sich teilweise gegenseitig sogar quasi aus. Die Medis federn einige kinetische Traits ab – die autistischen bleiben jedoch. Wo vorher mitunter sogar eine Balance war, kann diese nun kippen, was unterschiedliche Folgen haben kann. Auch führt die Kombination mitunter dazu, dass bspw. eine geringere Toleranz bezüglich Nebenwirkungen besteht.

Weitere Informationen dazu findet ihr bspw. hier:


Puh, wir sind erstmal durch. Das ist jetzt doch ausschweifender geworden, als ich gedacht hätte. Ich stelle fest, dass der andere Blickwinkel, über den ich diesen Neurotypen inzwischen betrachte, viele sehr spannende Gedanken und Implikationen hervorbringt. Wir sind gerade erst am Anfang einer neuroaffirmnativen Ära. Es gibt eine Menge Dinge aufzuarbeiten, sehr viel zu tun und unglaublich tolle Dinge zu entdecken! Shiny new things! 🤗

Was fallen euch noch für Situationen ein? Wie können diese unter einer neuroaffirmativen Linse differenziert betrachtet werden? Ich bin gespannt! 😊

><(((º> °

– Your flamingly Kinetic & Autistic neuroqueer rainbow butterfly cat Luux 🔥🦋

Ich habe keine Queerness. Ich bin queer. Ich habe kein Autismus. Ich bin autistisch. Ich habe keine „ADHS“. Ich bin kinetisch.

CN Ableismus, Diskriminierung, Konversionstherapien, Othering, Queerfeindlichkeit, Stigmatisierung

Bitte beachtet meinen Background.

„Das ist doch nicht normal!“

In kaum einem Satz verbirgt sich eine derartig große alltägliche Machtdemonstration wie in diesem. Voller Empörung wird er all denjenigen entgegengeschleudert, die auch nur ansatzweise von irgendeiner vermeintlichen Form der „Normalität“ abweichen. Mit ihnen geht stets die Implikation einher, sich dieser entweder bedingungslos zu fügen, oder gefälligst die Konsequenzen in Form von Ablehnung, Ausgrenzung, Diskriminierung oder gar Gewalt ertragen zu müssen und selbst schuld daran zu sein.

Normativität ist ein „wir“ gegen „die“.

„Wir Normalen“ gegen „die Abnormalen“.

Erstere sind die mächtigere soziale Gruppe, die natürlich die Definitionshoheit darüber hat, was als „normal“ zählt. Hinterfragt wird dieses Weltbild meist nicht. Versuche, Abweichungen als Teil der „Normalität“ zu etablieren, erfahren hingegen meist großen Widerstand und werden als Propaganda verschrien.

Die Sache mit der „Normalität“

Im Zuge der Industrialisierung und Siegeszug des Kapitalismus kam es zur Etablierung des Konzepts der „Normalität“. Die Vermessung der Welt und möglichst allem, was sich in ihr vermessen lässt. Arbeitsplätze in Fabriken wurden zur Maximierung der Effizienz normiert – wer außerhalb der Standardabweichung liegt, hatte halt Pech. Das sollte der Profitmaximierung aber nicht im Wege stehen, der Großteil der Arbeitskräfte war ja mit minimalem Aufwand abgedeckt.

Auch im Verständnis dessen, was Gesundheit eigentlich ist, erfolgte ein weitreichender Paradigmenwechsel: Gesundheit war nun nicht mehr primär eine Frage der wie-auch-immer-gearteten Balance oder Ausgewogenheit, sondern eine Frage der Normalität. Ist der Zustand nahe genug dran an der Normalität? Gut, passt, gesund! Gibt es signifikante Abweichungen davon? Krank, gestört, kaputt! Das Ziel von Behandlungen war es nun, den Zustand wieder normal zu bekommen.

(Wer an einem Deep-Dive in dieses unfassbar interessante Thema bekommen möchte, sei [1] ans Herz gelegt!)

Dieses Prinzip ermöglichte immense Fortschritte in der Medizin und ist auf sehr vieles anwendbar. Erst die Normierung ermöglichte es, überhaupt nachvollziehbare und konsistente Kriterien für viele Krankheiten, Medikation und so weiter festzulegen. Auch in Bezug auf Behinderungen gilt dies für vieles. Wer ein Bein verloren hat, den bekommt man vielleicht selbst mit heutigen Möglichkeiten nicht mehr in den „normalen“ Zustand, aber mit Prothesen eben so nahe dran, wie es eben geht.

In Bezug auf Behinderungen folgt daraus das medizinisches Modell der Behinderung: Menschen weichen signifikant von der „Normalität“ ab und sind deswegen behindert – ergo: wir behandeln wir die Menschen so, dass sie möglichst nahe an die „Normalität“ kommen, denn das fixt das Problem.

Eine Frage, die sich jedes Mal stellt, wenn jemand von „normalen Menschen“ spricht: welche denn? Die aus dem bevölkerungsreichsten Land: Indien? Die der Weißen neurotypischen cis Deutschen im hintersten ostdeutschen Kuhkaff? (Anm.: ich komme selbst aus so einem Kuhkaff). Die der Weißen neurotypischen cis Deutschen in Berlin? Männer? Frauen? Welche Generation? Die Lebensrealitäten sind doch mitunter grundverschieden. Für viele Fragestellungen ergibt es schlicht keinen Sinn, irgendeinen Mittelwert der Gesamtbevölkerung heranzuziehen, sondern man grenzt die Gruppe eben sinnvoll ein. Auch in der Medizin ist man irgendwann auf den Trichter gekommen, dass es bspw. ganz schlau wäre, Medikamente, die man Frauen verschreibt, auch an Frauen zu testen. (Nochmal ein ganz eigenes Thema…).

Was der Gipfel der Dämlichkeit ist: irgendwie ist im Zuge all dessen das maximale Mittelmaß zum Ideal geworden, das es zu erreichen gilt. Es ist zu einer Ideologie geworden. Eine Ideologie des Durchschnitts, der Normativität.

Und was hinreichend abweicht, ist ja krankhaft, nicht? Und was krankhaft ist, sollte gar nicht erst Teil der Normalität werden, wo kommen wir denn sonst hin! (/sarcasm)

Die Auswirkungen davon sehen wir auch historisch. Eines der bekanntesten Beispiele dafür dürfte die Linkshändigkeit sein. Der Versuch, die Menschen „normal“ zu machen (aka: umzuerziehen), ist die direkte Konsequenz dieser Ideologie. Die gravierenden Auswirkungen davon sind hinreichend bekannt. Nun, Linkshändigkeit ist nach jahrzehntelangem Kampf irgendwie Teil der Normalität geworden. Auch wenn die Gesellschaft noch immer ein gutes Stück entfernt ist, da echte Gleichberechtigung zu haben, aber das ist ein anderes Thema.

Über den Umgang mit Menschen, die irgendwie von den sexuellen und cisgeschlechtlichen Normen abweichen? Da will ich gar nicht erst anfangen.

„Neurodiversity light“ und der Kampf um die Sprache

Stellt euch mal vor, jemand würde über „Menschen mit Homosexualität“ schreiben. Über „Menschen mit Queerness“.

Man will ja den Menschen zuerst sehen und von deren Störung trennen. Vor etlichen Jahrzehnten wäre so ein Ansatz völlig normal gewesen, wurde Homosexualität doch lange pathologisiert.

Heute würde es berechtigerweise einen Shitstorm sondergleichen nach sich ziehen. Und dann können sich alle auf die Schultern klopfen, weil wir doch heute so reflektiert sind und das nicht mehr zulassen, dass Menschen so behandelt werden…

…um dann im nächsten Atemzug über „Menschen mit Autismus“, „Menschen mit ADHS“, „Menschen mit Dyslexie“ zu schreiben. Oder „Menschen mit einer Neurodiversität“. Eine Diversität zum Mitnehmen, bitte. Wir wollen ja Menschen mit Diversität inkludieren und so.

Neurodiversität ist fancy, Neudodiversität ist hip, so und jetzt bitte hier lang zur Konversionstherapie. Nein, das ist kein Witz, Applied Behaviorial Analysis (ABA) folgt dem gleichen Mindset wie Konversionstherapie für Homosexualität[2] – ist jedoch seit Jahrzehnten Standardtherapie für autistische Menschen und es wird inzwischen fleißig mit Begriffen wie Neurodiversität gebullshitbingo’d.

Neurotypen, also bestimmte Formen der Neurodivergenz, welche von Geburt an bestehen, größtenteils erblich sind und Vor- und Nachteile mit sich bringen, werden noch immer durchweg pathologisiert. Verdacht und Diagnosen erfolgen pathologisch aus einem ganz bestimmten, eingeengten und ignoranten neurotypischen Blickwinkel, wodurch viele Leute durch’s Raster fallen und von Therapie zu Therapie geschickt werden, ohne zu wissen, wer sie eigentlich sind.

Weiblich gelesen? „Gut, hier hast du deine Borderline-Diagnose. Gratulation, du hast eine Persönlichkeitsstörung, deine Persönlichkeit ist gestört, jetzt geh uns nicht weiter auf den Geist.“ (Hierzu gibt es bspw. ein spannendes Kapitel in [3] – die Existenzberechtigung der Borderline-Diagnose wird dort vollständig abgelehnt.)

Double Empathy Probem? Findet keine Erwähnung. – „Du hast Probleme mit Empathie, liegt an dir.“

Interessensbasierte Aufmerksamkeit und Autistic Inertia? Monotropismus? Spontanität? – „Aufmerksamkeitsdefizit! Limitierte Interessen!“

Stimming zur Selbstregulation? – „Abnorme repetitive Bewegungen! Hyperaktivität!“

Verschieden große Support Needs in unterschiedlichen Bereichen? – „Uns interessiert nur, wie sehr du nach unseren Maßstäben FUNKTIONIERST!“

Aber hey, wir sind jetzt voll neurodivers, denn wir erkennen an, dass diese Störungen auch Stärken mit sich bringen! Spontanität, Kreativität, Hyperfokus, Gerechtigkeitssi… *(ne halt, das ist schon wieder negativ, die nerven uns damit)*.

Was sind denn das für Störungen, die größtenteils genetisch sind und nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile mit sich bringen? Wo viele der „Nachteile“ bei genauerem Hinsehen mitunter gar nicht so nachteilig sind, oder nur unter bestimmten Bedingungen? Das hat doch noch nie irgendeinen Sinn ergeben?!

Die Liste lässt sich endlos fortführen. Pathologisierung dieser Neurotypen heißt:

Du weichst ab, deine Abweichung ist das Problem – wir lösen das Problem, indem wir dich normal machen.

Voila: Konversionstherapie. Oder Verständnis von „ADHS“-Medikation als „nimm das und werde neurotypischer“. Nein, so funktioniert das nicht. Glaubt mir, ich hab in meiner Jugend viele Jahre über Medis genommen. So funktioniert das nicht. Medis sind ein Hilfsmittel, sie machen einen aber nicht neurotypischer und bringen ihrerseits Vor- und Nachteile.

Das Problem an Neurodiversity light: es werden ein paar Begriffe genommen, die angestaubten Ansichten werden in etwas wohlklingendere Worthülsen entgegen deren eigentlichen Bedeutung verpackt, irgendwie zusammengewürfelt und durch die wiederholt falschen Verwendungen irgendwann ad absurdum geführt – und die dahinterstehenden Denkmuster aber nicht hinterfragt.

Reframing

Die Problematik hinter Person-first Language wird unter [4] sehr gut erklärt.

Man kann meine Person nicht „von Queerness“ trennen. Weil ich queer bin. Das ist etwas, das meine ganze Persönlichkeit mitformt. Als cis Mann wäre ich jemand ganz anderes. Ich will das gar nicht. Glaubt mir, ich hab’s aufgrund des Drucks zweieinhalb Jahrzehnte probiert. Und ich „leide“ schon gar nicht „unter Queerness“, ich leide unter Queerfeindlichkeit und cishetero-Normativität.

Man kann meine Person nicht „von Autismus“ trennen. Weil ich autistisch bin. Das ist etwas, das meine ganze Persönlichkeit mitformt. Als allistischer Mensch wäre ich jemand ganz anderes. Ich will das gar nicht. Glaubt mir, ich hab’s aufgrund des Drucks zweieinhalb Jahrzehnte probiert.

Ich mag meine starken Interessen. Meinen Gerechtigkeitssinn. Die Kommunikation mit anderen Autis, die gegenseitige Echolalie, das gegenseitige Infodumping. Meine Fähigkeiten zur vielfältigen Mustererkennung. Meine allabendliche Gurke. Und ich „leide“ schon gar nicht „unter Autismus“, ich leide unter Ableismus und Neuronormativität.

Man kann meine Person nicht „von ADHS“ trennen. Weil ich kinetisch bin. Das ist etwas, das meine ganze Persönlichkeit mitformt. Als nicht kinetischer Mensch wäre ich jemand ganz anderes. Ich will das gar nicht. Ich mag meine Spontanität, mein Inertia, meine Kreativität, die Kommunikation mit anderen kinetischen Menschen – ja, auch das gegenseitige Ins-Wort-Fallen, das man sich dann gegenseitig überhaupt nicht übel nimmt und einfach im Flow vibed. Und ich „leide“ schon gar nicht „unter ADHS“, ich leide unter Ableismus und Neuronormativität.

Kinetic Cognitive Style

Moment, kinetisch? Was ist das denn? Waren wir eben nicht noch bei ADHS?

Ja und nein. ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Fällt euch nicht auf, wie komplett kaputt der Begriff selbst ist, mit dem wir uns identifizieren? Wie die Pathologie aus jeder noch so kleinen Pore trieft? Wie der Begriff suggeriert, dass man doch neurotypisch viel besser dran wäre?

Ich hab kein „Konzentrationsdefizit“ (aka Mangel/Fehlen/“zu wenig“). Ich hab im Gegenteil so viel Konzentration, sodass ich manchmal gar nicht weiß, wohin damit, weil diese Gesellschaft verlangt, auf viele Dinge gleichzeitig jeweils moderate, dafür aber stetige Konzentration zu geben.

Ich mag meine Interessensfelder. Ich krieg die Krise bei neurotypischer Kommunikation, wo Leute ewig über banale Sachen quatschen; dann endlich mal ein interessantes Thema aufkommt, was dann direkt wieder abgecuttet wird.

Ich mag Tiefgang und Intensität bei Sachen, die mein Interesse wecken. Dass das von anderen als „gestört“ und „Defizit“ bezeichnet wird, lasse ich mir nicht mehr bieten.

In autistischen Kreisen wird schon eine ganze Weile für depathologisierte Sicht gekämpft. In „ADHS“-Bubbles nimmt das Ganze bislang nur sehr zögerlich Fahrt auf, da der Begriff selbst bereits ausschließlich zutiefst pathologisch und wertend ist. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Leider hat sich bislang kein allgemein verbreiteter Alternativbegriff etabliert.

Aus diesem Grund hat Nick Walker, Autorin des herausragenden Neuroqueer Heresies[5], eine solche Alternative vorgeschlagen: Kinetic Cognitive Style, kurz KCS. KCS beschreibt viel besser, was ich seit meiner Kindheit erlebe.

Der natürliche Zustand dieses Neurotyps beinhaltet unter anderem

 – eine interessens-/impuls-/inertia- und dringlichkeitsgetriebene Aufmerksamkeit

 – eine zentrale Rolle einnehmenden Flow und Hyperfokus

 – ein am besten in Bewegung arbeitendes Gehirn – mental und physisch, am besten alles gleichzeitig; mentale Beschleunigung und Abbremsen sind hingegen meist deutlich herausfordernder (siehe Autistic Inertia)

Mehr Infos über KCS gibt es hier: [6]

Wird sich der Begriff „KCS“ durchsetzen? Keine Ahnung. Ich identifiziere mich damit jedenfalls inzwischen deutlich mehr als mit „ADHS“. Sofern niemand mit einer viel schöneren, bahnbrechenden Begriffsidee kommt, werde ich diesen erst einmal verwenden.

(Allgemeine Anmerkung zu sprachlichen Sachen: wenn man über konkrete Menschen spricht und deren sprachliche Präferenz für ihr eigenes Erleben kennt, sollte man diese respektieren. Allerdings ist es auch wichtig, die Implikationen und Alternativen zu verstehen.)

Wege nach vorn: Neuro-affirmative Ansätze

Neuro-Affirmative Ansätze sind imho die spannendste Entwicklung im Bereich der Neurodivergenz.

Neuro-affirmativ zu sein, bedeutet konsequent aufzuhören, Neurotypen als „kaputtes Neurotypisch“ anzusehen, das Gesamtbild zu betrachten und neurodivergente Kommunikation und Kultur als genau solche zu respektieren. Nicht zu versuchen, eine Person in neurotypische Normalität zu pressen und sich stattdessen auf Selbstbestimmung zu fokussieren. Es bedeutet, Menschen dabei zu helfen, mit ihrem Neurotyp zu arbeiten und nicht gegen diesen. Und es bedeutet, die tiefgreifenden Auswirkungen allgegenwärtiger Diskriminierung, Ableismus und Ausgrenzung in ihrer vollen Bandbreite anzuerkennen.

Aktuell sprießen Ressourcen dazu nur so aus dem Boden – an dieser Stelle nochmal meine Empfehlung bezüglich [3]. Auch bspw. The Psychologist, Magazin der British Psychological Society, hat dazu bereits geschrieben[7].

Ist das Ändern der Sprache die Lösung? Wie oben geschrieben: nein. Es ist notwendiger Teil der Lösung, das Ändern der Sprache allein bringt jedoch nichts, wenn alte Denkmuster nicht hinterfragt werden. Die ersten sehen schon ihre Felle davonschwimmen und versuchen, uns „neuroaffirmatve ABA“ zu verkaufen – das ist, als würde jemand „homoaffirmative Konversionstherapie“ anpreisen.

Stellt euch vor, Menschen könnten einfach ihre Neurotypen erfahren und hätten Zugang zu passenden, neuroaffirmativen Ressourcen – und zwar schon, bevor jahrzehntelanger gesellschaftlicher Druck dazu führt, dass Traits sich in pathologischen „Symptomen“ äußern. Bevor Menschen jahrzentelang immer wieder Traumata erleiden mussten, bis sie irgendwann nicht mehr können. Bevor Ausgrenzung und Mobbing dazu führen, dass Menschen niemandem mehr vertrauen. Wie viele Burnouts, wie viele Depressionen, wie viel Einsamkeit könnten verhindert werden?

Es ist Zeit für eine Revolution. ❤️‍🔥

Quellen & Literatur

[1] Robert Chapman, Empire of Normality – Neurodiversity and Capitalism, 20.11.2023

[2] Daniel E Conine, Sarah C Campau, Abigail K Petronelli, LGBTQ+ conversion therapy and applied behavior analysis: A call to action, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34407211/, 18.08.2021fAB

[3] Davida Hartman, Tara O’Donnell-Killen, Jessica K Doyle, Dr. Maeve Kavanagh, Dr. Anna Day, Dr. Juliana Azevedo, The Adult Autism Assessment Handbook – A Neurodiversity Affirmative Approach, 21.02.2023

[4] Nick Walker, Person-first language is the language of autistiphobic bigotshttps://neuroqueer.com/person-first-language-is-the-language-of-autistiphobic-bigots/, Stand: 04.10.2024

[5] Nick Walker, Neuroqueer Heresies, 01.12.2021

[6] Stimpunks, Kinetic Cognitive Style, https://stimpunks.org/glossary/kinetic-cognitive-style/, Stand: 04.10.2024

[7] The Psychologist, What does it mean to be neurodiversity affirmative?, https://www.bps.org.uk/psychologist/what-does-it-mean-be-neurodiversity-affirmative, 02.01.2024

Über persönliche Safe Persons auf mehrtägigen Events

CN Ableismus

Mehrtägige (Kink-)Events, Festivals o.Ä. sind eine tolle Sache und gleichzeitig ein Siedetopf für Menschen unterschiedlichster Backgrounds und somit ein Minenfeld der sozialen Interaktion. Insbesondere Autist:innen (und insbesondere autistische Menschen, die sich dessen selbst noch nicht bewusst sind!) stellt das vor entsprechende Herausforderungen.

Ausgangssituation

Eine der Dynamiken, die daraus entstehen können und ein Paradebeispiel für das soziale Modell der Behinderung ist, ist folgende:

Es ist wahrscheinlich, dass jemand nach anfänglicher Anxiety endlich 1-2 Leute kennenlernt, mit denen die Person sich gut versteht und diese recht schnell als Safe Persons sieht. Zu diesen kehrt der:diejenige immer wieder zurück und möchte möglichst viel Zeit mit ihnen verbringen, weil mensch froh bist, jemanden gefunden zu haben. Da Socializing oftmals hohe Barrieren für Autis hat (teils Double Empathy-Mehrheitsbedingt, teils sozialisierungs-/traumabedingt, teils umgebungsbedingt), ist die Verlockung groß, recht schnell auf 1-2 Personen „einzulocken“, die man am ersten Tag kennengelernt hat. Monotropismus verstärkt dies mitunter enorm.

Solche Safe Persons können etwas sehr schönes und gerade bei Events mit größerem Gewusel extrem hilfreiches sein.

Das Problem

Eine solche Safe Person für eine andere Person zu sein, die entsprechende Support Needs hat, bzw. froh ist, sich endlich mal Menschen mitteilen zu können und eben nicht alleine auf einer Bank sitzen zu müssen (oder als letzte Person ins Team „gewählt“ zu werden x_x), kann mitunter seinerseits ziemlich Spoons veranschlagen und Menschen unter Druck setzen. Insbesondere, wenn das noch mit Trauma Dumping einhergeht, weil mensch sich endlich mal jemandem mitteilen kann.

Das resultiert dann aus Sicht der anderen Person in ein „ja also ich finde den Menschen ja eigentlich ganz nett, will aber auch nicht, dass mensch mir die ganze Zeit hinterherläuft. Ich will mensch aber auch nicht direkt wegschicken, weil ich nicht fies sein will“, was sehr anstrengend sein kann.

In einer allistischen Welt wird idR erwartet, dass mensch so was irgendwie „zwischen den Zeilen liest“ oder irgendwie „merkt“. (An dieser Stelle sei auf die Baumkletterergesellschaft verwiesen.)

Da allistische Social Cues für autistische Menschen so eine Sache sind, bekommen Autist:innen das mitunter aber gerade eben nicht mit und gehen dann Personen auf die Nerven, mit denen sie eigentlich gut klarkommen, ohne dass sie das wollen. Oft endet das darin, dass Menschen dann mitunter versuchen, möglichst unauffällig auszuweichen, heimlich hoffen, der Person gerade mal für 1-2 Stunden nicht über den Weg zu laufen oÄ. Falls überhaupt, erfährt die betroffene Person das dann oft auf recht unschöne Art und Weise, was dann Selbstbewusstsein noch weiter untergräbt.

Lösungsstrategien

Ich habe diese Dynamik auf eigentlich allen Seiten bereits erlebt (wenn auch in unterschiedlichen Intensitäten) – als Social-Cues-nicht-verstehende-Person, als Safe Person für jemand anderes, als Person in einer Gruppe mit einer anderen Person, die irgendwie von jemandem als Safe Person auserkoren wurde. Es gibt leider keine magische Wunderlösung, die man einfach anwenden kann, um das zu vermeiden. Ein paar Gedanken dazu hätte ich dennoch. Das Wichtigste ist eigentlich, diese Dynamik auf dem Schirm zu haben.

Als (unfreiwillige) Safe Person:

  • „Aber der Mensch muss das doch eigentlich mal merken!“ – Nein. Merkt mensch mitunter eben nicht. Vor allem nicht nach mehreren Tagen Event, wo Maskingenergie kaum noch vorhanden ist und allistische Social Cues noch häufiger übersehen werden als sonst.
  • Bitte blamed andere nicht dafür, das „nicht zu merken“, auch nicht hinter deren Rücken. Das passiert dann leider häufig, wird die Social Anxiety für die Person aber nur noch weiter vergrößern. Dazu kommt noch, dass betroffene Menschen bereits sehr viel Erfahrung mit Othering machen mussten. Das ist ein elendiger Teufelskreis.
  • Es ist absolut ok und sinnvoll, Grenzen zu setzen und zu kommunizieren, dass man für bestimmte Dinge bzw. deren Intensität keine Spoons hat. Das ist imho deutlich besser und fairer, als mit der Situation unglücklich zu sein oder hintenrum über betroffene Personen zu lästern.
  • Es muss einerseits klar kommuniziert werden – „zwischen den Zeilen“ funktioniert nicht! – andererseits ist dennoch etwas Fingerspitzengefühl angebracht. Das kann in der Situation scary sein, wenn man nicht „zu hart“ sein oder missverstanden werden will – auf der anderen Seite mag ein „du gehst mir auf den Sack“ zwar direkt und unmissverständlich sein, ist aber einfach nur wahnsinnig unempathisch.
  • Bedenkt, dass die andere Person die andere Person dieses Eierschalenlauf-Problem bei sehr vielen sozialen Interaktionen hat, weil sie meist sehr oft im Leben angeeckt ist und missverstanden wurde (deswegen kommt mensch ja auch erst in die Situation).
  • Beachtet dennoch, dass einige autistische Menschen massive Social Anxiety entwickelt haben, weil ihnen permanent gesagt wurde, dass sie „zu viel“ sind. Wenn diese sich euch öffnen, tun sie das nicht, weil sie euch auf die Nerven gehen wollen, sondern weil sie euch eben als safe ansehen. Es ist nicht immer einfach, da eine Balance zu finden.
  • Leider ist das mit dem direkten Mitteilen umso schwieriger, wenn eins selbst zu den People Pleasern gehört. Hier können gegebenenfalls Personen im Umfeld helfen, die diese Situation mitbekommen.
  • Ggf. können in solchen Situationen beispielsweise Techniken der Gewaltfreien Kommunikation sehr hilfreich sein.

Als Person auf der anderen Seite

  • Versucht, sofern es euch möglich ist, nicht in obige Falle zu tappen, nach dem ersten Tag komplett auf 1-2 Leute „einzulocken“. Ja, das bedeutet leider Socializing, I know. Auch da gibt es kein Wundermittel und das Thema ist eigene Writings wert.
  • Bitte vermeidet permanentes unsolicited Traumadumping. Es kann sehr befreiend sein, endlich mit einer Person reden zu können. Über mehrere Tage hinweg sind bestimmte Themen aber für die andere Seite wirklich sehr anstrengend, vor allem wenn diese mit starken negativen Emotionen verknüpft sind. Das kann unglaublich schnell die eigenen Batterien leersaugen, die eins eigentlich auf dem Event selbst aufladen wollte. Das heißt nicht, dass ihr verschlossen bleiben solltet. Die Dosis macht das Gift.
  • Je nach Event kann es sich beispielsweise stattdessen anbieten, gezielt einen Gesprächskreis mit Menschen zu starten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Erfahrungsgemäß sind in queeren Kink-Bubbles meist definitiv genug Interessent:innen da! Und ganz nebenbei lernt ihr da neue Personen kennen.
  • Wie oben beschrieben, kann es gut sein, dass euch immer wieder gesagt wurde, dass ihr „zu viel“ seid und ihr deswegen Angst habt, überhaupt an Personen heranzutreten oder euch diesen zu öffnen. Das ist keine gute Lösung. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift.
  • Im Zweifelsfall: sprecht es an. Letztlich ist das dann auch nur ein Konsensgespräch. Ihr werdet manchmal positiv überrascht sein!
  • Leider sind die Hürden in unserem Gesundheitssystem mitunter sehr hoch, für autistische Menschen (ob sie selbst wissen, dass sie autistisch sind oder nicht…) hat das ohnehin schon cursed System nochmal ganz eigene Barrieren. Dennoch ist ein Kink-Event vielleicht nicht der richtige Ort, um große Traumata erstmalig anzugehen und entsprechende Grundlagenaufarbeitung zu leisten. Wenn ihr den Verdacht hegt, eventuell autistisch und/oder kinetisch („ADHS“) zu sein, lohnt es sich extrem, sich mit entsprechenden Ressourcen auseinanderzusetzen, da diese Neurotypen mitunter ganz andere Herangehensweisen benötigen und das Wissen von Menschen im Gesundheitsweisen in dieser Hinsicht oft gnadenlos überschätzt wird. Vertraut dabei nicht den ersten Google-Suchergebnissen, sondern konsultiert Ressourcen von Betroffenen für Betroffene.

Shibari-Workshops am 6.7. und 7.7.2024

Lange gewünscht, nun ist es soweit! Wir geben Workshops!

Zielgruppe: LGBTQIA+ & Friends

First Flights – Einstieg in Suspensions am 6.7.2024

Ihr fesselt schon seit einer Weile, habt euch bislang aber nicht an Hängefesselungen herangetraut und wisst nicht so richtig, wo ihr starten sollt? Ihr seid verunsichert, weil dabei eine Menge schiefgehen kann und ihr das Gefühl habt, keinen Überblick zu haben? Ihr habt vielleicht sogar schon einmal mit kleinen (Semi-)Suspensions experimentiert und möchtet eure Technik nochmal auffrischen? Look no further, dieser Workshop ist genau für euch gemacht!

Was erwartet euch?

Wir bringen euch das Fliegen bei und was ihr dabei beachten solltet – von Materialkunde, Konsens, Sicherheit und Kommunikation bis hin zu Upline-Management und einfachen Hängungen. Ziel des Workshops ist es, euch eine solide Basis für erste selbstständige Suspensions an die Hand zu geben.

Weitere Infos: https://boundaries.fun/veranstaltungen/2024/first-flights-einstieg-in-suspensions/

Einführung in die Fesselkunst am 7.7.2024

Ob ästhetisch, meditativ, tänzerisch, intim, ob für das Spiel mit Machtdynamiken, knisternde Erotik oder atemberaubende Performances – das Fesseln mit dem Seil, auch unter den japanischen Begriffen Shibari oder Kinbaku bekannt, bietet eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten. Klingt spannend? Ist spannend!

Was erwartet euch?

In diesem Workshop gehen wir auf die wichtigsten Grundlagen in den Bereichen Sicherheit, Konsens und Seilkunde ein, zeigen euch erste einfache Fesselungen und beantworten eure Fragen.

Weitere Infos: https://boundaries.fun/veranstaltungen/2024/workshop-einfuehrung-in-die-fesselkunst/


AuDHS & Neuroqueer Theory Ressourcensammlung

Stand: 03.09.2024

CN: Infodump

Bitte beachtet meinen Background als Vorab-Hinweis/Disclaimer zu den Ressourcen.

Allgemeine Anmerkungen und Empfehlungen zu Ressourcen

Die meisten aktuellen und guten Ressourcen zum Neurodiversitäts-Paradigma und ADHS/Autismus sind leider auf Englisch.

Vieles, was man bei der ersten Google-Suche findet, ist veraltet, rein aus der Sicht von unreflektierten Neurotypischen (oder zumindest Allistischen) geschrieben und spiegelt oft nicht das wieder, was Betroffene erleben, insbesondere unter großem Masking.

Meidet wenn möglich Ressourcen, die nicht von Betroffenen selbst stammen. Vor allem viele Ressourcen und Organisationen der Marke „von nichtbetroffenen Verwandten für nichtbetroffene Verwandte“ sind fürchterlich. Das prominenteste Beispiel dafür ist die Organisation „Autism Speaks“ – rennt! Von dieser kommt auch das Puzzle-Symbol – wenn das irgendwo auftaucht bzw. als Symbolik von hiesigen Organisationen übernommen wird, sehe ich das inzwischen zumindest als Yellow Flag.

Es wird sehr viel grober Unfug in Bezug auf die Neurodiversitätsbewegung propagiert. Aussagen a la „die sprechen Menschen die Behinderung ab und verharmlosen alles einfach nur als Unterschied“ sind kompletter Unsinn und werden vor allem von Leuten weitererzählt, die sich damit nicht wirklich auseinandergesetzt haben. Ich halte einen Paradigmenwechsel für alternativlos. ADHS/Autismus-Traits können inherente Behinderungen sein. Autismus/ADHS pauschal als Störungen/Krankheiten zu framen – und somit zu implizieren, dass es sinnvoll wäre, uns alle zu „heilen“, führt hingegen zur Leugnung von Lebensrealitäten, Absprechen von Identitäten, Nichtreflektieren der Rolle von Neurotypischen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen – und missbräuchlichen Konversionstherapien wie etwa Applied Behavorial Analysis (ABA), die noch immer Gang und Gäbe sind und literally denselben Ursprung haben wie Konversionstherapien für Homosexualität.

Es handelt sich um Neurotypen mit Vor- und Nachteilen im Vergleich mit anderen Neurotypen.


Welche zu großen Teilen erbliche, von Geburt an existierende „Krankeit“/“Störung“ bringt denn bitte auch viele positive Traits mit sich? Das hat doch noch nie irgendwo irgendeinen Sinn ergeben. Wir leben in einer Welt, in der Menschen etwas wie „starkes Gerechtigkeitsempfinden“ pathologisieren, das ist doch ein einziger Clusterfuck. Dinge, die dieser Denkweise entspringen, inklusive Therapie etc., werden niemals die Grenzen dieser Denkweise überwinden und einen immer in diesem Käfig lassen. Das ist, als würde man auf Teufel komm raus versuchen, das Universum zu verstehen, während man noch dem geozentrischen Weltbild anhängt.

Wir sind in dieser Gesellschaft behindert – es ist wichtig, diesen Unterschied zu verstehen und zu betonen.

Eingehend damit: viele Quellen verbreiten die altbekannte pauschale Pathologie in kaum veränderter Form unter dem Deckmäntelchen der Begrifflichkeiten des Neurodiversitäts-Paradigmas. Wir sollten lernen, das zu durchschauen, zu hinterfragen und aktiv herauszufordern.

Cut through the noise.

Ressourcen

(Grundlagen) Begriffe rund um Neurodiversität:

Neurodiversity: Some basic Terms & Definitions von Dr. Nick Walker,
https://neuroqueer.com/neurodiversity-terms-and-definitions

(oder: „wo liegt der Unterschied zwischen neurodivers und neurodivergent“?)

Unmasking Autism von Dr. Devon Price

Unbedingte Empfehlung, falls ihr auch nur den Hauch einer Vermutung habt, dass „ADHS irgendwie noch nicht alles ist“.

Ergänzung:
Es gibt Pattern, bei denen ich inzwischen immer hellhöriger werde. Klassiker ist es, wenn Leute Diagnosemarathons hinter sich haben (irgendwas mit PTSD, Borderline, Depressionen, sehen sich als hochsensibel, von einer Therapie zur nächsten, aber irgendwie passt alles noch nicht so 100% und sie sind seit Jahren noch immer auf der Suche, oft weiblich sozialisiert) – und dann kommt noch irgendwie ein ADHS-Verdacht dazu, dann ist das Masked Autism-Bingo komplett.

Das Buch zielt, wie der Titel vermuten lässt, hauptsächlich auf high masking Autist:innen. Für diese Gruppen eine unbedingt Empfehlung als Einstiegslektüre!

Für bspw. nicht sprechende Autist:innen hingegen gibt’s vermutlich bessere Ressourcen. Diese sind nicht primäre Zielgruppe des Buches und könnten sich ggf. dadurch nicht gut repräsentiert fühlen. Das Buch ist nicht perfekt, bspw. wird der Begriff neurodivers gerne auch mal für Einzelpersonen verwendet.

Neuroqueer Heresies von Dr. Nick Walker

Ganz viel zum sozialen Modell der Behinderung und dessen Implikationen. Für mich persönlich Life Changing. Eine der wichtigsten Quellen, wenn nicht gar das wichtigste Buch, das ich jemals gelesen habe. Ich habe noch nie so viel bei einem Buch weinen müssen.

Bitte lest dieses Buch, wenn ihr irgendwie neurodivergent seid oder mit neurodivergenten Menschen zu tun habt!

Die meisten der Writings (aber nicht alle) findet man auch auf https://neuroqueer.com – ich empfehle dennoch das Buch für den zusätzlichen Kontext.

Ein Writing habe ich oben bereits bezüglich der Definitionen verlinkt. Ich empfehle stark, mindestens noch ein weiteres zu lesen:
Throw away the Master’s Tools – Liberating ourselves from the pathology paradigm, https://neuroqueer.com/throw-away-the-masters-tools/

Nick Walker hat auch die Neuroqueer Theory hervorgebracht (siehe unten).

Monotropismus

Monotropismus ist eine in der autistischen Community sehr populäre Theorie, wie autistische Aufmerksamkeit funktioniert:
https://monotropism.org/
(klickt nicht auf die dt. Übersetzung, die ist maschinell erstellt und qualitativ schlecht)

ADHD and Monotropism
https://monotropism.org/adhd/

Monotropism Questionnaire
https://dlcincluded.github.io/MQ/

Video dazu von I’m Autistic, Now What?
https://www.youtube.com/watch?v=3mBbOOzhoGQ

Kinetic Cognitive Style (KCS)

KCS ist ein potentielles Reframing für ADHS. Imho resoniert dieser Begriff deutlich mehr damit, wie ich meine kinetische Seite erlebe, als es der in sich bereits rein pathologische Begriff „ADHS“ tut.
https://stimpunks.org/2021/08/27/kinetic-cognitive-style/

Neuroqueer Theory

Es gibt, neben anderen Dingen, größere Overlaps zwischen (Gender-)Queerness und Neurodivergenz. Das liegt unter anderem daran, dass viele der ungeschriebenen geschlechtsspezifischen Normen von Neurotypischen für viele von uns schlicht keinen Sinn ergeben.

Neuroqueer Theory ist eine Anwendung der intersektionalen Queer Theory und dem Neurodiversitäts-Paradigma. Das Verb neuroqueeren bedeutet, sowohl die cis-hetero-Normativität, als auch die Neuro-Normativität herauszufordern und sich davon zu befreien.

Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass Neuroqueer Theory in den nächsten Jahren vermutlich so einigen Fortschritt machen wird.

Neuroqueer Theory: An Introduction
https://neuroqueer.com/neuroqueer-an-introduction/

Toward a Neuroqueer Future
https://neuroqueer.com/wp-content/uploads/2021/07/Walker-2021-Toward-a-neuroqueer-future.pdf

Wikipedia-Eintrag zu Neuroqueer Theory
https://en.wikipedia.org/wiki/Neuroqueer_theory

Beziehungen, Sexualleben und Kink

Neurodivergenz beeinflusst das komplette Leben und kann somit unweigerlich auch einen weitreichenden Einfluss auf das Sexual- und Beziehungsleben haben. Nicht-„traditionelle“ Beziehungsformen, Polyamorie, Kinks. Leider sind das meist Tabuthemen. Das taucht in kaum einem Ratgeber auf und nur wenige, die mit Neurodivergenten arbeiten, haben das überhaupt auf dem Schirm. Da diese eklatant klaffende Lücke ein himmelschreiendes Loch im breiteren Wissen über Neurodivergenz ist, möchte ich das an dieser Stelle zumindest erwähnen – das Thema ist jedoch zu groß für einen Rundumschlag an dieser Stelle.

Dennoch möchte ich hier einen Shoutout machen:

SMJG

SMJG e.V. als gemeinnütziger Verein, der im deutschsprachigen Raum Jugendarbeit (d.h von 14. bis 27 Jahren) im Bereich BDSM und Sexualaufklärung betreibt. Derlei Vorlieben sind sich junge Menschen oftmals bereits in sehr jungen Jahren bewusst, fühlen sich aber meist falsch und unnormal und haben keine Ansprechpartner:innen, was zu weiterem Masking auch im Bereich Sexualität und Beziehungen führt. In der Schule, der Familie etc. wird dies nicht besprochen. Die SMJG bietet jungen Menschen einen geschützten Raum, um sich mit Gleichaltrigen über diese Themen auszutauschen. Es gibt in den meisten größeren Städten regelmäßige Stammtische, ein moderiertes Forum, einen moderierten Chat, ein Sorgentelefon, mehrmals jährlich Communitytreffs undundund. Ich habe selbst bereits einen ADHS-Gesprächskreise im Zuge eines Communitytreffs organisiert.

Es treiben sich dort so einige neurodivergente Menschen rum, auch wenn der Schwerpunkt nicht auf Neurodivergenz liegt. Der Verein ist zudem von jungen Menschen für junge Menschen selbst organisiert. (Heißt auch: Sensibilität für Neurodivergenz, Trauma etc. ist definitiv höher als im Bevölkerungsschnitt, aber natürlich auch von den Menschen abhängig!)

Ich habe der SMJG sehr viel zu verdanken und leider viel zu spät entdeckt.

Für Erwachsene gibt es den SMJG Alumni, der alterstechnisch nach oben offen ist. Man muss nicht in der SMJG aktiv gewesen sein.

Weitere Online-Ressourcen

Stimpunks
https://stimpunks.org/
Eine Schatzgrube an Informationen

Facts, Fire, and Feels: Research-Storytelling from the Edges
https://stimpunks.org/research
Über Reframing in der Forschung gegen einen kaputten Status Quo

Social Media Ressourcen

I’m Autistic, Now What?
https://www.youtube.com/@imautisticnowwhat
Super sympathischer Youtube-Channel rund um Autismus / AuDHS

Autistic AF
https://www.youtube.com/@Autistic_AF
AuDHS Content 🙂

Interessantes Gedankenspiel, was herauskommt, wenn man „neurotypisch“ genauso als Störung framed, wie es bei Autismus/ADHS getan wird
https://www.youtube.com/watch?v=nf0OVpfUbgc

Diverse Animationsvideos des Youtube-Kanals illymation, bspw. Times I should have realized I was autistic
https://www.youtube.com/watch?v=i3Vy2BPmMS4

Avoiding Toxic Productivity Advice for ADHD von ADHD Jesse
https://www.youtube.com/watch?v=JsT3KPYJFl4

The Neurodivergent Collective
https://www.instagram.com/the.neurodivergentcollective/


Eigenwerbung

Von Baumkletterern und Fischen (oder: warum ein konsequentes Neurodiversitätsparadigma die Probleme neurodivergenter Menschen nicht verharmlost)

– Your flamingly Autistic, neuroqueer rainbow butterfly cat Luux 🔥

Von Baumkletterern und Fischen (oder: warum ein konsequentes Neurodiversitäts-Paradigma die Probleme neurodivergenter Menschen nicht verharmlost)

If you judge a fish by its ability to climb a tree, it will live its whole life believing that it is stupid

Derlei Zitate sind zwar auf Social Media-Bildchen sehr populär und werden oft geteilt (zumeist in einer Kombination, die deren Ursprung fälschlicherweise Albert Einstein oder anderen berühmten Menschen der Vergangenheit zuweist), die Gesellschaft selbst konfrontiert die Menschen aber leider zumeist mit einer vollkommen anderen Realität.

Dennoch erkenne ich in diesem Satz eine Schönheit, welche mit mir in einer Art resoniert, die mich immerhin dazu inspiriert, eine kleine Geschichte zu schreiben.

Eine Geschichte über Baumkletterer und Fische.

CN: Ableismus

Bitte beachtet meinen Background.


Die Gesellschaft der Baumkletterer

Die Geschichte spielt in einer Welt, die von Baumkletterern bevölkert wird.
Es gibt große Baumkletterer, kleine Baumkletterer, dünne Baumkletterer, dicke Baumkletterer, flinke Klettermeister, langsamere Kletterer, Kletterer mit kaputten Knochen, gerade erst Kletternlernende und so weiter und so fort.

Jene Baumkletterer – man könnte es fast erahnen – errichten ihre Städte auf Baumkronen. Nun müssen Baumkletterer ab und zu von den Bäumen herunter oder zwischen den Baum wechseln – schließlich kann man nicht die ganze Zeit auf demselben Baum hocken. Auf Bäume hinauf oder zwischen den Bäumen hin- und herzuklettern ist demnach in der Baumkletterergesellschaft vollkommen alltäglich und normal. Die sozialen Gepflogenheiten, Normen und Umgangsformen sind aus unserer Sicht am ehesten mit denen von Rudeln vergleichbar. Jedes Baumklettererkind weiß das und lernt diesen Umgang miteinander intuitiv.

Nun besteht die Welt zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich aus Baumkletterern. Es gibt noch andere Wesen, zum Beispiel die Fische. Gut, eigentlich ist es eher ein breites Spektrum aus Amphibien-artigen Wesen bis hin zu reinen Fischen. Ein fließender Übergang. Aber der Einfachheit halber werden sie zumeist Fische genannt.

Fischheitsstörung

Woran erkennt man einen Fisch?

Nun, es ist gar nicht so einfach, wie es sich zunächst anhört. Man sieht es den Fischen nämlich gar nicht äußerlich an. Es ist auch noch gar nicht so lange her, dass man überhaupt erst erkannt hat, dass es Fische gibt. Man machte diese Entdeckung, indem diejenigen untersucht wurden, die sich sehr eigenartig und ungeschickt beim Klettern anstellten. Seitdem weiß man, dass es Klettergestörte gibt, die sich bestimmte Merkmale teilen. Diese Merkmale haben die Baumkletterer unter Fischheitsstörung zusammengefasst.

Kletterer mit Fischheitsstörung haben es nicht leicht in einer Welt, in der die Städte auf Baumkronen errichtet werden und Klettern alltäglich ist. Immerhin gibt für diese Störung inzwischen einige Nachteilsausgleiche, beispielsweise wird Betroffenen gnädigerweise mehr Zeit beim Bäumewechseln eingeräumt. Notwendig hierfür ist jedoch zunächst eine fachliche Fischheitsstörungsdiagnose, bei der diese Schwierigkeiten anhand sachlicher, von führenden Baumklettererärzten erstellten Kriterien, festgestellt werden.

Diese Kriterien umfassen unter anderem:

  • Probleme beim Baumklettern, bspw. auffällig ungeschicktes Kletterverhalten, sehr langsames Klettern
  • erhöhtes Verletzungsrisiko beim Klettern (Anm.: eine Versicherung abzuschließen ist mit Fischheitsdiagnose entsprechend schwieriger!)
  • übermäßiges Interesse an Wasser (hierfür werden mitunter wichtigere Dinge vernachlässigt)
  • soziale Probleme und Auffälligkeiten, Stören des Rudelverhaltens
  • Probleme beim Erlernen der Rudeldynamiken im Kindesalter
  • fehlende Rudelintuition

In den letzten Jahren hat sich das Verständnis für die Fischheitsstörung weiterentwickelt. Langsam kommen die Baumklettererärzte dahinter, dass es nicht nur reine Fische gibt, sondern – wie eingangs erwähnt – ein breites Spektrum von Baumkletterer-Fisch-Hybriden, Amphibien, reinen Fischen und so weiter.

Sehr viele davon wissen ein Leben lang nicht, dass sie Fische sind.

Meist sind es solche, die halbwegs kletterfähig sind. Sie glauben, sie sind einfach ein wenig holprige und ungeschickte Baumkletterer. Oft sind sie als einzige im Rudel sehr erschöpft von der Kletterei. Auch werden sie oft ausgegrenzt, da sie sich zwar bemühen, das Rudelverhalten zu verstehen, aber auf ihre Mitkletterer wirken sie dennoch unterbewusst… irgendwie fishy.

Dass sie Fische sind, erfahren sie häufig erst, nachdem sie bei einem Kletterversuch durch Unachtsamkeit im chronisch erschöpften Zustand einen Unfall erlitten und mehrere Monate arbeitsunfähig waren. Oder ihre Kinder bekommen die Diagnose Fischheitsstörung, sie denken sich „meine Kinder sind doch ganz normal, die sind doch genau wie i… oh. Oh.“

Der Kampf um Anerkennung

Einige Fische fordern die Baumkletterer vermehrt dazu auf, sie als Fische anzuerkennen und die Fischheitsstörung nicht mehr als Störung zu bezeichnen.

Sie haben erkannt, dass sie sich im Wasser hervorragend fortbewegen können und – wenn mehrere Fische zusammenkommen – ein intuitives Schwarmverständnis besitzen. Sie haben erkannt, dass, würden die Städte nicht auf Baumkronen erbaut sein, ihnen vieles einfacher fallen und ihr Schwarmwissen einen massiven Beitrag zur Gesellschaft leisten könnte. Sie haben erkannt, dass sie kein prinzipielles Kletterproblem haben – auch noch so steile Wasserfälle stellen keinerlei Problem für sie dar!

Auch Fische können kaputte Flossen haben – dann fällt es ihnen zusätzlich dazu noch schwerer, sich im Wasser fortzubewegen. Von Kletterversuchen ganz zu schweigen. Viele verletzen sich irgendwann beim Versuch, die Baumkrone zu erklimmen oder sind chronisch erschöpft von der ganzen Kletterei, für die sie einfach nicht gemacht sind.

Und es gibt große Fische, kleine Fische, langsame Fische, schnelle Fische, bunte Fische, einfarbige Fische, glitzernde Fische, leuchtende Fische – alle mit eigenen Herausforderungen im Leben.

Kennst du einen Fisch, kennst du einen Fisch.

Sie haben erkannt, dass sie keine Kletterer mit Fischheitsstörung, sondern Fische sind. Würde man etwa von den Baumkronen Wasserfälle errichten, könnten vielleicht nicht alle, aber sehr viele Fische viel leichter…

Hahahaha, nope. So läuft das nicht.

Ignoranz

Viele Baumkletterer sind dagegen. Sie verstehen nicht, warum sie Zeit, Mühe und Ressourcen in die Errichtung von Wasserfällen, Wasserstraßen oder Teichen stecken sollten. Immerhin gibt es auch langsame Baumkletterer. Jeder hat mal einen schlechten Tag und verletzt sich beim Klettern. Und wenn an sich nur genug anstrengt, kann man seine Kletterfertigkeiten verbessern! Stattdessen wird Fischheit oft als Ausrede benutzt! Und Fische sind ja nur eine kleine Minderheit! Außerdem behauptet ja heutzutage jede:r dritte, ein Fisch zu sein! Ein regelrechter Fischheitstrend!

Einige behaupten gar, es gäbe keine Fische oder Fischheitsstörung. Man müsse nur endlich wieder strenger beim Klettern sein. So wie früher. Früher, in der glorreichen Vergangenheit! Früher hat es schließlich auch keine Fische gegeben!

Auch unter denen, die nicht leugnen, dass es Fische gibt, stehen viele den Anerkennungsbewegungen sehr skeptisch gegenüber, darunter vor allem auch Angehörige von Fischen, aber auch einige Fische selbst.

Fischheit soll keine Störung sein?
Damit spricht man doch Betroffenen ihre Kletterprobleme ab!!!!

Man soll sie als Fische bezeichnen und nicht als Kletterer mit Fischheitsstörung?
Aber ein Wesen wird doch nicht durch seine Fischheitsstörung definiert, das muss man doch sprachlich klar machen und vom Individuum trennen!!!! (Diese Fischheit hat mein Kind weggenommen und es zu etwas anderem gemacht!! pls macht mein Kind wieder normal und holt mein wahres Kind unter dieser Fischheit hervor!!!)

Fische selbst kämpfen dafür?
Wie können sie es wagen??!! Das sind doch nur Amphibien-Fisch-Mischwesen, die an Land gehen können und wunderbar im Leben zurechtkommen!! Die sind gar nicht Fisch genug, um für die echten Fische sprechen zu dürfen!! (Aber ich als nichtbetroffene:r Angehörige:r eines Baumkletterers mit echter Fishheit bin es selbstverständlich!!)

Fische realisieren selbst, dass sie Fische sind, nachdem sie sich ausführlich zu Fischen informiert und mit vielen anderen Fischen in Kontakt getreten sind?
NEINEINEIN, man muss eine richtige Fischheitsdiagnose von vertrauenswürdigen Baumklettererexpert:innen einholen! Sonst nimmt man den wahren Fischen die Fischheit weg!! Schau, Expert:innen sind so wichtig, dass sie sich auf den Spitzen gewaltiger, pompöser und extrahoher Baumkronen befinden! Aber es sollte doch machbar sein, da hochzuklettern, wenn es euch wichtig ist, oder?? Sonst seid ihr offensichtlich keine wahren Fische!

Was es heißt, ein Fisch zu sein

Ein Fisch zu sein, schafft viele Alltagsprobleme, die Baumkletterer nicht haben. Nun haben sie es aber nicht schwer, weil sie inherent „kaputt“ sind, sondern weil es sich eben um Fische handelt. Es sind einfach Fische, die nicht für das Bäumeklettern im Rudel gemacht sind, sondern für das Schwimmen im Schwarm. Im Wasser entfalten sie ihr Potential.

Sie haben keine Krankheit. Ein Fisch zu sein ist nichts, das man „heilen“ oder umerziehen könnte. Aber in dieser Gesellschaft sind alle Fische behindert.

Würde die Gesellschaft hauptsächlich aus Fischen bestehen, hätten diese ihre Städte auf dem Wasser errichtet und man würde sich wundern, warum die Baumkletterer eine Schwimmstörung haben und mitunter kaum ihr Seepferdchen bestehen.

Nun, einige Fische sind so stark auf das Wasser angewiesen, dass sie dieses überhaupt nicht selbstständig verlassen können. Selbst auf der Wasseroberfläche errichtete Städte sind für sie ohne weitreichende Unterstützung unerreichbar. Aber es wäre auch für sie und ihr Umfeld mitunter deutlich einfacher, als immerzu die hohen Baumkronen erklimmen zu müssen.

Fischsein selbst ist in den allermeisten Fällen keine inherente Störung, aber in dieser Gesellschaft sind alle Fische behindert.

Vielleicht erkennen das irgendwann auch die Baumkletterer…


Was will uns Luux damit sagen?

Dey will uns zum Nachdenken anregen!

Neurodiversität spricht niemandem die Probleme ab, die damit einhergehen, neurodivergent zu sein. Man setzt sich lediglich dafür ein, dass Fische nicht einfach nur anhand ihrer Fähigkeit, auf Bäume zu klettern als krankhaft oder gestört bezeichnet werden.

Dennoch sind die Neuromehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft nunmal so, wie sie sind, d.h. neurodivergente Fische müssen irgendwie im Hier und Jetzt in einer überwiegend aus neurotypischen Baumkletterern bestehenden Gesellschaft zurechtkommen. Und diese errichtet ihre Städte nunmal auf Baumkronen und interagiert meist in Rudeln.

Das herauszustellen leugnet nicht den Fakt, dass Fische es schwer haben, auf Bäume zu klettern. Das nicht herauszustellen, leugnet jedoch die Rolle der neurotypischen Baumkletterer und entzieht ihnen die Verantwortung, diese Dynamiken zu reflektieren.
(Weil Fis… äh Baumkletterer mit Fischheitsstörung einfach nur irgendwie kaputte Baumkletter sind, nicht wahr?)

Für einige Fische gibt es Hilfsmittel – für manche davon ist es jedoch aus verschiedenen Gründen notwendig, möglichst sicher festzustellen, dass es sich auch wirklich um Fische handelt. Beispielsweise auf Fische abgestimmte Medikamente, Nachteilsausgleiche, Behindertenausweise. Außerdem wissen viele Fische gar nicht, dass sie Fische sind. Auch hierfür benötigt es professionelle Therapeut:innen, die den Fischen erst einmal helfen zu erkennen, woher ihre Kletterschwierigkeiten kommen.

Bei vielen Formen des Barriereabbaus profitieren alle – Fische wie Nicht-Fische. Ein morscher Baum ist immerhin auch für Baumkletterer gefährlich. Und oft sind es die Fische, die das als erstes bemerken – vergleichbar mit dem bekannten Kanarienvogel in der Kohlemine. Hört ihnen endlich mal zu.

Leseempfehlung:
Throw Away the Master’s Tools – Liberating ourselves from the Pathology Paradigm von Dr. Nick Walker, https://neuroqueer.com/throw-away-the-masters-tools/

Autism and the Pathology Paradigm von Dr. Nick Walker, https://neuroqueer.com/autism-and-the-pathology-paradigm/

Kinetic Cognitive Style von Stimpunks, https://stimpunks.org/2021/08/27/kinetic-cognitive-style/

Monotropism, https://monotropism.org/

><(((º> °

Saxony Vaccination Date Autochecker

TL;DR: Get it here!

The organization of registering for vaccinations in Germany is… suboptimal. If you’re not on a waiting list of your doctor, you can try to get an appointment at one of the vaccination centers. However, there is no single waiting list for them. You have to try to register and see whether there is a free date available or not. Even worse, this procedure differs from state to state. For Saxony, this registration takes place at [1].

After making an account, one can try to get an appointment – if there is any available (which is unlikely for a random point in time right now). If you want to do so, you will have to wait for getting access to the tool every time. Yes, you read that right. A waiting queue. For a web service. That will very likely say you that there are no free time slots anyway as soon as you get through. Oof.

Come on. This is ridiculous…

So at the Impfterminvergabe, you don’t see the number of free time slots at your vaccination center of choice in advance. However, there is a live counter available at [2] which you can use to save time. But we don’t want to watch the counter all day, do we?

I don’t want to watch this all day…

There’s where my Saxony Vaccination Data Autochecker comes in. The tool runs in the background and checks the countee page automatically every few minutes. If there are more time slots available than at the last check, you’ll get a notification in form of a message box.

This saves time!

Within the notification, you’ll see the information necessary to determine whether it’s worth to challenge your luck at the Impfterminvergabe again. You can just start this tool, do your daily Home Office work and forget about it – until you see that dozens of fresh time slots are available now.

Installation (Standalone)

  1. Download the latest standalone release at https://github.com/Luux/saxony-vaccination-date-autochecker/releases
  2. Either run it via command line (see options at the bottom of this README) or by double-clicking on a .bat starter

If you don’t want to use the command line, you can use a .bat file to start the program. As examples, you can just double-click dresden.bat or leipzig.bat and you’re ready to go (what the names mean should be self-explanatory).

Just double-click one of these. Or edit them for other vaccination centers.

If you want to check other vaccination centers, you can just modify a .bat file (right click -> edit) and specify the name of your vaccination center of choice as shown at https://www.countee.ch/app/de/counter/impfee/_iz_sachsen (for example „Annaberg IZ“).

My Antivirus/Smart Screen complains, help pls?

No worries, these are false positives. The .exe is build using pyinstaller[3], which just bundles the script from this repository along with all dependencies including the python runtime into a single executable. Executables build by pyinstaller being suspected by Windows SmartScreen or antivirus solutions is a recurring issue (see for example [4]).

image
If this happens…
image
…right-click on autocheck_countee.exe
-> Properties -> Allow -> OK

You can also just run it from source as written below.

Installation (Source)

  1. Install python – latest version is fine: https://www.python.org/
  2. Make sure python is added to PATH
  3. pip install -r requirements.txt
  4. Start the script. Example usage: python saxony_vaccination_date_autochecker/autocheck_countee-py "Dresden IZ"

Options:

python .\saxony_vaccination_date_autochecker\autocheck_countee.py --help
usage: autocheck_countee.py [-h] [--intervall INTERVALL] vaccination_center

positional arguments:
  vaccination_center    The vaccination center name as displayed on countee.
                        Example: "Dresden IZ".

optional arguments:
  -h, --help            show this help message and exit
  --intervall INTERVALL
                        Check intervall in minutes (default: 10).

[1] https://sachsen.impfterminvergabe.de/

[2] https://www.countee.ch/app/de/counter/impfee/_iz_sachsen

[3] https://github.com/pyinstaller/pyinstaller

[4] https://github.com/pyinstaller/pyinstaller/issues/4852

ARBSMapDo 0.4.0 Released

> > Release @ GitHub

I recently released version 0.4.0 of ARBSMapDo, which is considered the biggest update of the tool yet. It brings several internal changes as well as many new features. The most important changes compared to the previous version are:

Start ARBSMapDo -> Paste playlist-URI -> profit.
  • Playlist support!
    Append your results to a playlist or create a new one. This supports the filtered mass-downloading as well as the manual DL described above. You can even download an entire playlist and append it to another playlist!
  • Detection of already existing maps
    ARBSMapDo now detects already existing maps, they aren’t downloaded again ARBSMapDo can be used along other tools. The hash calculation is cached, so it only has to calculate the map-hash for new maps downloaded outside of ARBSMapDo. In other words: it doesn’t have to perform the full scan every time the tool is started.
Custom song folders of Beat Saber players may look like that even if they never used ARBSMapDo – so we need to keep track of that
  • Added –noextract option to prevent extracting of downloaded .zip files. This can be useful for Quest users. The detection of already existing maps works with zip files as well as long as they are in the specified download directory.
  • Assistant improvements
    Some better formatting here and there.
  • Use beatsaver rating instead of vote_ratio
    You may have to change that in your presets if coming from older versions. The rating from BeatSaver is calculated using this formula:

So, what next?

I want to finally put this into a pypi package and look into the GameMode filtering, which requires some more under-the-hood changes. Currently, the tool scans ScoreSaber for levels, performs a pre-filtering based on the provided information, then looks into the more detailed BeatSaver information. As the latter is now cached locally using daily scrapped data, it has become much, much faster than previously. Therefore, a BeatSaver-first search can be implemented for non-ranked maps. That requires some additional work, but will be worth: users can finally keep their OneSaber playlist up-to-date!

Web Page Launch

Woohoo! The first iteration of my web page is finally ready to release. This is my personal web page, which includes information about who I am, what I do, how to get in contact with me and this blog. The latter is still kinda empty and I want to fill it gradually within the next months.

So what do I want to write about? It will not be limited to one topic. It may be a cool new project I found, a concert tour, some weird programming quirks, AI content, video games or whatsoever. It will follow the same principle as my web page in general: I don’t want it to have some corporate appearance. I am a human and I am a geek, and this is my very personal (web) space I want to invite the readers to. I want to show what inspires me – and maybe inspire others. (EDIT: 2020-12-10: I actually like the last two sentences and will use them on the welcome page from now on)

So, let’s get started with a few pieces of information about this web page. I’m using WordPress which is installed on a small V-Server instance. That means, in contrast to a managed hosting solution, I take the full control (but also responsibility) of my V-Server. While this indicates I have to do all the routing and software configuration, this also allows for the implementation of tools like Embetty or own software projects later on. Embetty allows for a privacy-friendly embedding of things such as youtube videos: the client (you) only communicates with Youtube servers once you click on the embedded video. Any communication with these servers is therefore completely opt-in. So how does this work? Embetty runs an own small server inside a Docker container. Each time a post with a supported embedding is requested, Embetty (which runs on my server!) requests the preview from youtube and serves this preview image to the client. Only if the client wants to start the video (and therefore opts in), a direct connection between client and youtube will be established.

Also, I configurated WordPress and some plugins so that no external sources are pulled by the client. I disabled WordPress Avatars and Emoji backwards compatibility which are on by default as they use external resources from US servers. Also, I do *not* use anything like Google Analytics, Akismet Anti-SpamPrivacy and so on. It is not as easy as one might think to make a modern web page privacy-friendly. As if that’s intended… 🤔

I also enabled comments. You can even post anonymously and don’t have to provide an email address if you don’t want to. However, note that this is subject to change if it gets abused or spam goes wild.

That’s it for now. I hope you will enjoy exploring my page! If you have any feedback or questions, please don’t hesitate to contact me. 🙂